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Die Geschichte


Unsere Geschichte...


  1975 war's, da hatten die Hosen noch Schlag, Santana sang "Black Magic Woman" und die "Fuffziger" fuhren mit etwas Hilfe fast hundert. Motorradfahren war in den Zeiten nicht so perfekt. Helme gab es nur in der gehobener Preisklasse. Vollvisiere und Lederkombis waren unerschwinglich und an den Maschinen musste viel geschraubt und improvisiert werden. Und doch waren einige vom Motorradfahren, von diesem betörenden Benzingeruch, einfach vom ganzen Flair fasziniert. Besonders Jugendliche. Grund genug, für zwei engagierte Sozialarbeiter, Horst "Hocke" Schweigert und "Diebold" Maurer des Jugendzentrums Weingarten, ein Projekt zu starten,  mit dem Ziel, die Mopedgangs von der Straße zu kriegen und ihnen Sozialverhalten und Verantwortungsbewusstsein beizubringen. Die Kids begannen, miteinander zu reden, miteinander zu schrauben und es wurden immer mehr. Irgendwann musste man sich organisieren. Verhaltensregeln definieren und die auch leben. Es gab keinen Chef, keinen Vorstand. Die Anschaffungen, die gemeinsam getätigt wurden, gehörten allen und jeder einzelne war dafür verantwortlich. Probleme wurden in der Gruppe angesprochen und zusammen mit der Gruppe bewältigt. Neue Mitglieder konnten sich erst in der Gruppe zurechtfinden, bevor sie selbst bestimmten, ob sie dazugehören möchten. Lauter revolutionäre Gedanken in einer Szene, die von patriarchalischen Strukturen geprägt war. Nach vier Jahren war die Idylle vorbei. Die Kids waren nun volljährig und passten daher nicht mehr ins Jugendzentrum. Trotz fehlender übergeordneter Struktur blieb man zusammen und nannte sich fortan "Motorrad Club Weingarten". 1979 wurden Räume in der Fabrik angemietet. Halt! Räume waren das eigentlich nicht. "Daraus könnt ihr was machen," hieß es und man deutete auf einen haushohen Haufen von Schutt und Unrat. Die Aufräum- und Bauarbeiten dauerten ca. ein 3/4 Jahr, bis der MCW ein Dach über dem Kopf hatte. Die Werkstatt, der wichtigste Raum, war schnell eingerichtet. Die Grundausstattung, spendiert vom Etat des Jugendzentrums, durfte quasi als Abschiedsgeschenk mitgenommen werden. Das Einrichten der anderen Räume gestaltete sich weit schwieriger und langwieriger, aber das, was letztendlich als "Clubraum" benutzt wurde, vermittelte eine irgendwie wohlige Gemütlichkeit. Besonders im Winter, wenn der Holzofen angefeuert wurde, dessen abenteuerliche Kaminkonstruktion den Kaminfeger alljährlich zur Verzweiflung trieb. Irgendwie kamen wir alle so im Alter von 18 bis 20 Jahren in den Club und waren froh, andere Leute kennen zu lernen. Ein bisschen half diese Gemeinschaft auch bei der Abnabelung vom Elternhaus und so verbrachte man fast die ganze Freizeit im Club. Kein Wunder, dass es da nicht nur um Motorräder ging. In einer politisch brisanten Zeit, man denke an Whyl, ans Dreisameck, später an den Schwarzwaldhof, gab es immer genügend Gesprächsstoff. Rechnet man dann noch den Riesenhaufen persönlicher Probleme hinzu, den man in dem Alter hat und den Zoff mit unterschiedlichen Pärchenkonstellationen innerhalb des MCW, so kann sich jeder denken dass wir ein sehr vitaler und diskussionsfreudiger Haufen waren. Und doch gab es auch so etwas wie Geborgenheit. 1985 kam es dann im MCW zum Eklat. Nach wochenlangen Diskussionen über die weitere Zukunft verließen schlagartig etwa die Hälfte der Mitglieder den Club. Bei der anderen Hälfte herrschte Endzeitstimmung. In dieser Situation entschloss sich der nun reichlich dezimierte Motorrad Club Weingarten die Räumlichkeiten mit dem MC Kuhle Wampe bei 50% Mitbeteiligung gemeinsam zu nutzen. Einige Zeit später schloss sich eine Clique jugendlicher Motorradfahrer dem MC Weingarten an. Mit den gleichen Problemen behaftet wie wir vor Jahren, verbrachten sie jede freie Minute im Club. Der MCW war fast überfordert, plötzlich einen wilden Haufe von etwa 10 Leute zu domestizieren". Galt es doch, den Jungs, die zum Anfahren tags wie nachts sehr viel Gas brauchten und sich beim Bremsen über die Länge des radierten Strichs auf dem Teer freuten, einige Grundregeln menschlichen Zusammenlebens zu vermitteln. Die leidigen Diskussionen über das Gruppenverhalten bei Ausfahrten mussten neu angefacht werden. Das Dauerthema "Beziehung zwischen Nachbarn und 3500 U/min beim Abfahren nach 22 Uhr" musste erörtert werden. Und langsam ging es auch um Inhalte, z.B., woher kommt das Holz, das man im Winter in den Ofen schiebt, oder aus welcher Quelle stammt das Bier, das immer da ist und wieso ist es vernünftiger, das Bier zu bezahlen. Und später: wie funktioniert ein Club ohne Präsi, oder wieso werden Arbeiten verrichtet, Funktionen übernommen, obgleich keine übergeordnete Satzung das regelt. Nach und nach wurden die neuen Mitglieder in Aufgaben mit eingebunden. Man organisierte den Motorradflohmarkt und machte sich Gedanken, wie das zu verbessern sei. Man regte sich darüber auf, dass immer die gleichen Leute was tun und immer die gleichen Leute nichts tun. Es gab Zoff und man redete dann auch wieder miteinander, es gab Frustrationen und man überwand sie und manchmal schlug das in Kreativität um. Neben dem Motorradmarkt bot der MCW 1988 erstmalig einen Motorrad-Schrauberkurs für Anfänger an. Der Erfolg war enorm und wir mussten einige Monate später einen Zweiten veranstalten. 1994 erreichte der MCW mit dieser Veranstaltung vorerst seinen Höhepunkt mit über 40 Teilnehmern/innen in 3 Kursen. Der Motorradmarkt hat in den letzten Jahren auch an Professionalität stetig zugelegt. Seit 1993 bereichert eine vom MCW choreografierte und durchgeführte Modenschau das Rahmenprogramm. Durch die Aktivitäten in der Öffentlichkeit, speziell durch die Schrauberkurse, hat der MCW neue Mitglieder gewonnen. Teilweise abgeschreckt durch die "offene" Diskussionsführung bei Vollversammlungen wurden Stimmen laut, die eine Satzung für den MCW forderten. Ein Ansturm panischer Entrüstung schlug den Leuten entgegen und alle, auch jene, von denen man es nicht vermutet hätte, wussten genau warum wir im MCW gerade das nicht wollen... Viele Gesichter sind gekommen und viele sind auch wieder gegangen, was jedoch blieb, ist ein Ideal in den Köpfen, das weitervererbt wurde und nun über 30 Jahre alt ist. Wer hätte das gedacht.